Liebe – nicht etwas, das einem ohne eigenes Zutun passiert, sondern eine aktive erlernbare Fähigkeit. Dies ist die Kernaussage des Buches “Die Kunst des Liebens” von Erich Fromm.

Fromm, Psychanalytiker der alten Schule, diskutiert in seinem vielleicht wichtigsten Buch die Liebe in allen ihren Aspekten: nicht nur die von falschen Vorstellungen umgebene romantische Liebe, sondern auch Nächstenliebe, Elternliebe, Eigenliebe, Erotik und die Liebe zu Gott.

Ein absoluter Klassiker und ein Muss für jeden, der sich ernsthaft mit dem Thema Liebe beschäftigt!

Wie bei allen Büchern die ich lese, habe mir natürlich Notizen gemacht. Und bevor diese auf meinem Rechner verschimmeln, würde ich Sie gerne mit euch teilen, da ich denke dass man daraus auch in dieser etwas zusammenhangslosen Form so einiges lernt!

  • Die meisten Menschen sehen das Problem der Liebe in erster Linie als das Problem, SELBST GELIEBT ZU WERDEN, statt ZU LIEBEN und lieben zu können. Daher geht es für sie nur darum, wie man es erreicht, geliebt zu werden, wie man liebenswert wird.
  • Anfangszustand des SICH ZU VERLIEBEN ist ungleich des permanenten Zustands ZU LIEBEN!
  • Bewusstsein des Menschen seiner selbst und die Erfahrung seiner Abgetrenntheit führt zu Angst und zu dem Wunsch, sich mit der Welt außerhalb seiner selbst zu vereinigen.
  • Es scheint, dass der Mensch nach dem orgiastischen Erlebnis (Orgasmus beim Sex) eine Zeitlang weiterleben kann, ohne allzusehr unter seinem Abgetrenntsein zu leiden. Langsam nimmt die Spannung der Angst wieder zu, so dass sie durch die Wiederholung des Rituals wieder gemildert werden muss.
  • Die Polarität der Geschlechter ist im Verschwinden begriffen, und damit verschwindet auch die erotische Liebe, die auf dieser Polarität beruht. Männer und Frauen werden sich GLEICH und sind nicht mehr GLEICHBERECHTIGT als entgegengesetzte Pole.
  • Eine dritte Möglichkeit, zu neuer Einheit zu gelangen, liegt in schöpferischem Tätigsein, sei es das eines Künstlers oder das eines Handwerkers. (…) Dies gilt jedoch nur für die produktive Arbeit, für eine Arbeit also, bei der ICH es bin, der plant, wirkt und bei der ich das Resultat meiner Arbeit sehe.
  • ABER: Die bei einer produktiven Arbeit erreichte Einheit ist nicht zwichenmenschlicher Art; die bei einer orgiastischen Vereinigung erreichte Einheit ist nur vorübergehend; die  durch Konformität (Gesellschaft etc) erreichte Einheit ist eine Pseudo-Einheit. Daher sind alle diese Lösungen nur Teillösungen für das Problem der Existenz. Eine voll befriedigende Antwort findet man nur in der zwischenmenschlichen Einheit, in der Vereinigung mit einem anderen Menschen, in der LIEBE.
  • Gelingt diese Vereinigung nicht, so bedeutet das Wahnsinn oder Vernichtung – Selbstvernichtung oder Vernichtung anderer.
  • Menschen, die im wesentlichen nicht-schöpferisch orientiert sind, empfinden das Geben als eine Verarmung. (…) Für sie bedeutet “Geben ist seliger denn Nehmen”, dass es besser sei, Entbehrungen zu erleiden als Freude zu erfahren. (Geben = Opfer)
  • Für den produktiven Charakter hat das Geben eine ganz andere Bedeutung. Für ihn ist Geben höchster Ausdruck seines Vermögens. Gerade im Akt des Schenkens erlebe ich meine Stärke, meinen Reichtum, meine Macht. Dieses Erlebnis meiner gesteigerten Vitalität und Potenz erfüllt mich mit Freude. Ich erlebe mich selbst als überströmend, hergebend, lebendig und voll Freude. Geben bereitet mehr Freude als Empfangen. Nicht deshalb, weil es ein Opfer ist, sondern weil im Akt des Schenkens die eigene Lebendigkeit zum Ausdruck kommt.
  • Nicht der ist reich, der viel HAT, sondern der, welcher viel GIBT. Der Hortende, der ständig Angst hat, etwas zu verlieren, ist psychologisch gesehen ein armer Habenichts, ganz gleich wieviel er besitzt.
  • Geben im zwischenmenschlichen Bereich –> Was gibt ein Mensch dem anderen? Er gibt etwas von sich selbst, vom Kostbarsten, was er besitzt, er gibt etwas von seinem Leben. Das bedeutet nicht unbedingt, dass er sein Leben für den anderen opfert – sondern dass er ihm etwas von dem gibt, was in ihm lebendig ist; er gibt ihm etwas von seiner Freude, von seinem Interesse, von seinem Verständnis, von seinem Wissen, von seinem Humor, von seiner Traurigkeit – von ALLEM was in ihm lebendig ist. Indem er dem anderen auf diese Weise etwas von seinem Leben abgibt, bereichert er ihn, steigert er beim anderen das Gefühl des Lebendigseins und verstärkt damit dieses Gefühl des Lebendigseins auch in sich selbst. (…) Indem er gibt, kann er nicht umhin, im anderen etwas zum Leben zu erwecken.
  • Die Liebe ist eine Macht, die Liebe erzeugt. Impotenz ist die Unfähigkeit, Liebe zu erzeugen.
  • Liebe = Fürsorge, Verantwortungsgefühl, Achtung vor dem anderen und Erkenntnis
  • Liebe ist die tätige Sorge für das Leben und das Wachstum dessen, was wir lieben.
  • Das Wesen der Liebe besteht darin, für etwas “zu arbeiten” und “etwas aufzuzuiehen”. Liebe und Arbeit sind nicht voneinander zu trennen. Man liebt das, wofür man sich müht, und man müht sich für das, was man liebt.
  • Zu Erkenntnis: So kann ich zum Beispiel merken, dass jemand sich ärgert, selbst wenn er es nicht offen zeigt; aber ich kann ihn auch noch tiefer kennen, und dann weiß ich, dass er Angst hat und sich Sorgen macht, dass er sich einsam und schuldig fühlt. Dann weiß ich, dass sein Ärger nur die Manifestation von etwas ist, was tiefer liegt, und ich sehe in ihm dann den verängstigten und verwirrten, das heißt den leidenden und nicht den verärgerten Menschen.
  • Es ist dies ein narzisstischer Zustand: Die äußere Realität, Personen wie Dinge, sind nur insofern von Bedeutung, als sie für den inneren Zustand des Körpers eine Befriedigung oder Versagung bedeuten.
  • ICH WERDE GELIEBT, WEIL ICH BIN. Diese Erfahrung, von der Mutter geliebt zu werden, ist ihrem Wesen nach passiv. Ich brauche nichts dazu zu tun, um geliebt zu werden, Mutterliebe ist keinen Bedingungen unterworfen. Alles, was ich tun muss, ist ZU SEIN, ihr Kind zu sein.
  • Das neue Gefühl, dass man durch Aktivität Liebe wecken kann.
  • Schließlich hat das Kind, das inzwischen ein Jugendlicher sein mag, seine Ichbezogenheit überwunden; der andere ist jetzt nicht mehr in erster Linie ein Mittel zur Befriedigung der eigenen Bedürfnisse. Die Bedürfnisse des anderen werden ebenso wichtig wie die eigenen – ja tatsächlich noch wichtiger als diese. Geben ist befriedigender, freudvoller geworden als Geliebtwerden. Dadurch, dass der junge Mensch liebt, ist er aus der Gefängniszelle seines Alleinseins und seiner Isolierung herausgelangt, die durch seinen Narzissmus und seine Ichbezogenheit bedingt waren. Er erlebt ein neues Gefühl der Einheit, des Teilens und des Einsseins. Was noch wichtiger ist, er spürt in sich das Vermögen, Liebe durch Lieben zu wecken und nicht mehr abhängig davon zu sein, geliebt zu werden und aus diesem Grund klein, hilflos und krank – oder “brav” bleiben zu müssen.
  • Infantile Liebe folgt dem Prinzip: “Ich liebe, weil ich geliebt werde.”
  • Reife Liebe folgt dem Prinzip: “Ich werde geliebt, weil ich Liebe.”
  • Unreife Liebe sagt: ” Ich liebe dich, weil ich dich brauche.”
  • Reife Liebe sagt: “Ich brauche dich, weil ich dich liebe.”
  • Die Mutter hat die Funktion, dem Kind die Sicherheit im Leben zu geben, der Vater hat die Funktion es zu lehren und anzuleiten, damit es mit den Problemen fertig wird, mit denen die Gesellschaft, in die das Kind hineingeboren wurde, es konfrontiert.
  • Die Mutter sollte Vertrauen zum Leben haben und daher nicht überängstlich sein und das Kind mit ihrer Angst anstecken. Sie sollte den Wunsch, dass das Kind unabhängig wird und sich schließlich von ihr trennt, zu einem Bestandteil ihres Lebens machen.
  • Die väterliche Liebe sollte sich von Grundsätzen und Erwartungen leiten lassen. Sie sollte geduldig und tolerant und nicht bedrohlich und autoritär sein. Sie sollte dem heranwachsenden Kind in immer stärkerem Maße das Gefühl eigener Kompetenz geben und ihm schließlich erlauben, über sich selbst zu bestimmen und ohne väterliche Autorität auszukommen.
  • Schließlich hat der reife Mensche den Punkt erreicht, an dem er seine eigene Mutter und sein eigener Vater ist. Er besitzt dann sozusagen ein mütterliches und ein väterliches Gewissen.
  • Im Unterschied zu Freuds Über-Ich hat er sie jedoch nicht in sich aufgebaut, indem er sich Mutter und Vater einverleibte, sondern indem er ein mütterliches Gewissen auf seiner eigenen Liebesfähigkeit und ein väterliches Gewissen auf seiner eigenen Vernunft und Urteilskraft errichtete.
  • Liebe ist nicht in erster Linie eine Bindung an eine bestimmte Person. Sie ist eine Haltung, eine Charakter-Orientierung, welche die Bezogenheit eines Menschen zur Welt als Ganzem und nicht nur zu EINEM EINZIGEN “Objekt” der Liebe bestimmt. Wenn jemand nur eine einzige andere Person liebt und ihm alle übrigen Mitmenschen gleichgültig sind, dann handelt es sich bei seiner Liebe nicht um Liebe, sondern um eine symbiotische Bindung oder um einen erweiterten Egoismus. Trotzdem glauben die meisten Menschen, Liebe komme erst durch ein Objekt zustande und nicht aufgrund einer Fähigkeit. Sie bilden sich tatsächlich ein, es sei ein Beweis für die Intesität ihrer Liebe, wenn sie außer der “geliebten” Person niemanden lieben.
  • Das heißt jedoch nicht, dass es zwischen den verschiedenen Arten der Liebe keine Unterschiede gibt, die jeweils von der Art des geliebten Objekts abhängen.
  • Unser Bedürfnis nach Liebe ist auf unsere Erfahrung des Getrenntseins und auf das daraus resultierende Verlangen zurückzuführen, die aus der Getrenntheit entspringende Angst durch die Erfahrung von Einheit zu überwinden.
  • Identität gründet sich auf die produktive Entfaltung der eigenen Kräfte.

NÄCHSTENLIEBE

  • Ein Gespür für Verantwortlichkeit, Fürsorge, Achtung und “Erkenntnis”, das jedem anderen Wesen gilt, sowie der Wunsch, dessen Leben zu fördern.
  • Die Nächstenliebe enthält die Erfahrung der Einheit mit allen Menschen, der menschlichen Solidarität, des menschlichen Einswerdens.
  • Die Unterschiede von Begabung, Intelligenz und Wissen sind nebensächlich im Vergleich zur Identität des menschlichen Kerns, der uns allen gemeinsam ist.
  • Sein eigenes Fleisch und Blut zu lieben, ist kein besonderes Verdienst. (…) Erst in der Liebe zu denen, die für uns keinen Zweck erfüllen, beginnt die Liebe sich zu entfalten.

MÜTTERLICHE LIEBE

  • Mutterliebe ist die bedingungslose Bejahung des Lebens und der Bedürfnisse des Kindes.
  • Die Bejahung des Lebens des Kindes hat zwei Aspekte: der eine besteht in der Fürsorge und dem Verantwortungsgefühl, die zur Erhaltung und Entfaltung des Lebens des Kindes unbedingt notwendig sind. Der andere Aspekt geht über die bloße Lebenserhaltung hinaus. Es ist die Haltung, die dem Kind jene Liebe zum Leben vermittelt, die ihm das Gefühl gibt: Es ist gut zu leben, es ist gut, ein kleiner Junge oder ein kleines Mädchen zu sein; es ist gut auf dieser Welt zu sein!
  • Sie vermittelt dem Kind die LIEBE ZUM LEBEN und nicht nur den Willen, am Leben zu bleiben. (Sie muss daher ein glücklicher Mensch sein.)
  • Wahre Mutterliebe besteht darin, für das Wachstum des Kindes zu sorgen, und das bedeutet, dass sie selbst wünscht, dass das Kind von ihr loskommt.

EROTISCHE LIEBE

  • Fremder wird zu intimem Bekannten –> Man glaubt den “Geliebten” ebenso genau zu kennen wie sich selbst (bzw. ebenso WENIG)
  • Wenn es mehr Tiefe in der Erfahrung eines anderen Menschen gäbe, wenn man die Unbegrenztheit seiner Persönlichkeit erleben könnte, würde einem der andere nie so vertraut – und das Wunder der Überwindung der Schranken könnte sich jeden Tag aufs neue ereignen. (“Ver-lieben”)

SELBSTLIEBE

  • Freud: Beim Narzissmus richtet sich die Libido auf die eigene Person. Narzissmus ist Unfähigkeit zu lieben.
  • Übertriebene “Selbstlosigkeit” als Kompensation für Unfähigkeit wahrhaftig zu lieben

GOTTESLIEBE

  • Schließlich spricht er dann nicht mehr ÜBER Gott und erwähnt nicht einmal mehr seinen Namen. Wenn er sich überhaupt dieser Bezeichnung bedient, dann heißt Gott lieben für ihn soviel wie sich danach sehnen, die volle Liebesfähigkeit zu erlangen und das in sich zu verwirklichen, was “Gott” in einem selbst bedeutet.
  • Der Widerspruch ist eine Kategorie des menschlichen Geistes und nicht an und für sich ein Element der Wirklichkeit.
  • Vom Standpunkt der indischen und chinesischen Philosophie und Mystik aus besteht die religiöse Aufgabe des Menschen nicht darin, richtig zu denken, sondern richtig zu handeln und (bzw. oder) mit dem Einen im Akt konzentrierter Mediatition eins zu werden.

LIEBE IN DER HEUTIGEN WESTLICHEN GESELLSCHAFT

  • Des Menschen Glück besteht heute darin, “seinen Spaß zu haben”. Und man hat seinen Spaß, wenn man sich Gebrauchsgüter, Bilder, Essen, Trinken, Zigaretten, Menschen, Zeitschriften, Bücher und Filme “einverleibt”, indem man alles konsumiert, alles verschlingt.
  • Bild der Ehe: Man schließt zu zweit einen Bund gegen die Welt und hält dann diesen ÉGOISME À DEUX irrtümlich für Liebe und Vertrautheit.
  • Wenn man die am häufigsten auftretenden sexuellen Probleme untersucht – die Frigidität der Frau und mehr oder weniger schwere Formen psychisch bedingter Impotenz beim Mann – so erkennt man, dass die Ursache dafür nicht in der mangelnden Kenntnis der richtigen Technik, sondern in den Hemmungen zu suchen ist, die es unmöglich machen zu lieben. Angst oder Hass gegenüber dem anderen Geschlecht liegen diesen Schwierigkeiten zugrunde, die einen Menschen hindern, sich ganz hinzugeben und aus dem Vertrauen auf den Sexualpartner heraus beim unmittelbaren körperlichen Kontakt spontan zu reagieren. Wenn ein sexuell gehemmter Mensch es fertigbringt, sich von seiner Angst oder seinem Hass freizumachen und auf diese Weise fähig wird zu lieben, dann sind seine sexuellen Probleme gelöst.
  • Eine Form der Pseudoliebe: Wenn jemand noch nicht das Niveau erreicht hat, wo er ein Gefühl der Identität, des Ich-Seins hat, das sich auf die produktive Entfaltung seiner eigenen Kräfte gründet, neigt er dazu, die geliebte Person zu “vergöttern”. Er wird dann seiner eigenen Kräfte entfremdet und projiziert sie auf die geliebte Person.
  • Andere Form der Pseudoliebe: Sentimentale Liebe (wird nur in der Phantasie und nicht im Hier und Jetzt in einer Beziehung mit einem realen anderen Menschen erlebt –> Liebesfilme, -Romane, etc)
  • Wenn jemand das Gefühl hat, dass es ihm nicht gelungen ist, seinem Leben einen Sinn zu geben, versucht er, den Sinn seines Lebens im Leben seiner Kinder zu finden. Für einen selbst scheitert dies, weil jeder sein Existenzproblem nur für sich selbst lösen und sich dabei keines Stellvertreters bedienen kann; hinsichtlich der Kinder scheitert es, weil es einem eben an jenen Eigenschaften fehlt, die man brauchte, um die Kinder auf deren eigener Suche nach einer Antwort anleiten zu können.

ÜBERSTARKE VATERBINDUNG

  • Eine andere Form neurotischer Erkrankung findet sich bei Menschen mit einer überstarken Vaterbindung. Ein solcher Fall liegt bei einem Mann vor, dessen Mutter kalt und reserviert ist, während der Vater seine ganze Liebe und sein ganzes Interesse auf den Sohn konzentriert. Er ist ein “guter Vater” aber zugleich ist er autoritär. Wenn ihm das Verhalten seines Sohnes behagt, lobt er ihn, beschenkt er ihn und behandelt ihn liebevoll; missfällt ihm sein Sohn, so zieht er sich von ihm zurück oder tadelt ihn. Der Sohn, der keine andere Zuneigung erfährt als die seines Vaters, gerät in eine sklavische Abhängigkeit von ihm. Sein Hauptlebensziel ist dann, es dem Vater recht zu machen. Gelingt ihm das, so fühlt er sich glücklich, sicher und zufrieden. Macht er jedoch einen Fehler, misslingt ihm etwas oder gelingt es ihm nicht, dem Vater zu gefallen, so fühlt er sich klein und hässlich, ungeliebt und ausgestoßen.
  • In seinem späteren Leben wird ein solcher Mensch eine Vaterfigur zu finden suchen, an die er sich in ähnlicher Weise anschließt.

DIE PRAXIS DER LIEBE

  • Vor allem erfordert die Ausübung einer Kunst DISZIPLIN. Ich werde es nie zu etwas bringen, wenn ich nicht diszipliniert vorgehe. Tue ich nur dann etwas, wenn ich gerade “in Stimmung” bin, so kann das für mich ein nettes oder unterhaltsames Hobby sein, doch niemals werde ich in dieser Kunst ein Meister werden.
  • Wesentlich ist jedoch, dass man Disziplin nicht wie etwas übt, das einem von außen aufgezwungen wird, sondern dass sie zum Ausdruck des eigenen Wollens wird, dass man sie als angenehm empfindet und dass man sich allmählich ein Verhalten angewöhnt, das man schließlich vermissen würde, wenn man es wieder aufgeben sollte. Es gehört zu den bedauerlichen Aspekten unserer westlichen Auffassung von Disziplin (wie übrigens von jeder Tugend), dass man sie für recht mühsam hält und dass man meint, sie könne nur etwas “Gutes” sein, wenn sie einem schwerfällt. Der Osten hat schon vor langer Zeit erkannt, dass das, was dem Menschen gut tut – seinem Körper und seiner Seele -, ihm auch angenehm sein muss, auch wenn zu Anfang einige Widerstände zu überwinden sind.
  • Die Hauptvoraussetzung für die Fähigkeit, lieben zu können, ist, dass man seinen Narzissmus überwindet.
  • Der narzisstisch orientierte erlebt nur das als real, was in seinem eigenen Inneren existiert, während die Erscheinungen in der Außenwelt für ihn an sich keine Realität besitzen, sondern nur daraufhin erfahren werden, ob sie für ihn selbst von Nutzen oder gefährlich sind. Das Gegenteil von Narzissmus ist Objektivität; damit ist die Fähigkeit gemeint, Menschen und Dinge so zu sehen, wie sie sind, also objektiv, und in der Lage zu sein, dieses objektive Bild von einem Bild zu trennen, das durch die eigenen Wünsche und Ängste zustande kommt.
  • Vernunft ist die Fähigkeit, objektiv zu denken. Die ihr zugrundeliegende emotionale Haltung ist die Demut. Man kann nur objektiv sein und sich seiner Vernunft bedienen, wenn man demütig geworden ist und seine Kindheitsträume von Allwissenheit und Allmacht überwunden hat.
  • Auf die Praxis der Kunst des Liebens bezogen, bedeutet dies: Da die Fähigkeit zu lieben davon abhängt, dass unser Narzissmus relativ gering ist, verlangt diese Kunst die Entwicklung von Demut, Objektivität und Vernunft.
  • Wenn ich die Kunst des Liebens lernen will, muss ich mich in jeder Situation um Objektivität bemühen und ein Gespür für solche Situationen bekommen, in denen ich nicht objektiv bin. Ich muss versuchen den Unterschied zu erkennen zwischen dem narzisstisch entstellten Bild, das ICH mir von einem Menschen und seinem Verhalten mache, und dem wirklichen Menschen, wie er unabhängig von meinen Interessen, Bedürfnissen und Ängsten existiert.
  • Sie hängt von unserer Fähigkeit ab, zu wachsen und eine produktive Orientierung in unserer Beziehung zur Welt und zu uns selbst zu entwickeln.
  • Dieser Prozess (…) hat als unumgängliche Voraussetzung den GLAUBEN.
  • Unterscheidung zwischen rationalem und irrationalem Glauben:

Unter einem irrationalen Glauben verstehe ich einen Glauben (an eine Person oder eine Idee), bei dem man sich einer irrationalen Autorität unterwirft.
Im Gegensatz dazu handelt es sich beim rationalen Glauben um eine Überzeugung, die im eigenen Denken oder Fühlen wurzelt. Rationaler Glaube meint jene Qualität von Gewissheit und Unerschütterlichkeit, die unseren Überzeugungen zu eigen ist.

  • Rationaler Glaube ist im produktiven, intellektuellen und emotionalen Tätigsein verwurzelt.
  • Wir sind uns der Existenz eines Selbst, eines Kerns unserer Persönlichkeit bewusst, der unveränderlich ist und unser ganzes Leben lang fortbesteht, wenn sich auch die äußeren Umstände ändern mögen und wenn auch in unseren Meinungen und Gefühlen gewisse Änderungen eintreten. Dieser Kern ist die Realität hinter dem Wort “Ich”, auf der unsere Überzeugung von unserer Identität beruht. Wenn wir nicht an die Beständigkeit unseres Selbst glauben, gerät unser Identitätsgefühl in Gefahr, und wir werden von anderen Menschen abhängig, deren Zustimmung dann zur Grundlage unseres Identitätsgefühls wird.
  • Worauf es in Liebesbeziehungen ankommt, ist der Glaube an die eigene Liebe, der Glaube an die Fähigkeit der eigenen Liebe, bei anderen Liebe hervorzurufen, und der Glaube an ihre Verlässlichkeit.
  • Erziehen bedeutet, dem Kind zu helfen, seine Möglichkeiten zu realisieren. Das Gegenteil von Erziehung ist Manipulation, bei welcher der Erwachsene nicht an die Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes glaubt und überzeugt ist, dass das Kind nur dann zu einem ordentlichen Menschen wird, wenn er ihm das, was er für wünschenswert hält, einprägt und alles unterdrückt, was ihm nicht wünschenswert scheint. An einen Roboter braucht man nicht zu glauben, weil in ihm kein Leben ist, das sich entfalten könnte.
  • Das praktische Üben von Glauben und Mut fängt bei den kleinen Dingen des täglichen Lebens an. Die ersten Schritte hierzu sind: darauf zu achten, wo und wann man den Glauben verliert, die Rationalisierungen (Excuses?) zu durchschauen, deren man sich bedient, um diesen Glaubensverlust zu verdecken, zu erkennen wo man sich feige verhält und welche Rationalisierungen man hierbei anwendet, zu merken, wie jeder Verrat am Glauben uns schwächt und wie jede neue Schwächung zu einem neuen Verrat führt und dass dies ein Teufelskreis ist. Dann werden wir auch erkennen, dass wir bewusst zwar Angst haben, nicht geliebt zu werden, dass wir uns aber in Wirklichkeit – wenngleich meist unbewusst – davor fürchten, zu lieben.
  • Lieben heißt, dass wir uns dem anderen ohne Garantie ausliefern, dass wir uns der geliebten Person ganz hingeben, in der Hoffnung, dass unsere Liebe auch in ihr Liebe erwecken wird. Liebe ist ein Akt des Glaubens, und wer nur wenig Glauben hat, der hat auch nur wenig Liebe.
  • Grundlage für die Praxis des Liebens: die Aktivität des aus sich heraus Tätigseins (der produktive Gebrauch der inneren Kräfte; Zustand der Aufnahmebereitschaft, Wachsamkeit und Aktivität).
  • Der Schlaf allein ist ein legitimer Zustand der Inaktivität; im wachen Zustand sollte man der Trägheit keinen Platz einräumen. Sehr viele befinden sich heute in der paradoxen Situation, dass sie halb schlafen, wenn sie wach sind, und halb wachen, wenn sie schlafen oder schlafen möchten.
  • Es ist eine Illusion, zu glauben, man könne sein Leben so einteilen, dass man im Bereich der Liebe produktiv und in allen anderen nicht-produktiv sein könne.

Soviel dazu. Ich denke die Punkte sind auch ohne Gesamtzusammenhang weitestgehend verständlich und v. a. anwendbar, aber ich empfehle dennoch die Lektüre des Buches. Es gibt sicher viele Punkte die für mich als jemand, der das Buch kennt, vollkommen schlüssig sind. Für einen Einsteiger in die Materie aber ist es möglicherweise doch nicht so klar.

Deshalb kaufen und lesen: “Die Kunst des Liebens” von Erich Fromm. Ist die paar Stunden hundertfach wert, versprochen!!

Anmerkung: Dieser Artikel wurde von dem ursprünglichen Besitzer der Domain geschrieben und hier weiterverwendet.